Ortsungebundene Arbeitskonzepte kommen für ein Drittel aller Unternehmen nicht in Frage – auch nach der Pandemie
Erstaunliche 75% der CEOs gehen ihren Aussagen zufolge davon aus, dass sich ihre Büroflächen zukünftig aufgrund der ortsungebundenen Arbeit verringern werden. Bei dieser Entscheidung steht viel auf dem Spiel: Um einen hundertprozentigen Fokus auf ihre Kunden zu garantieren, müssen Unternehmen für eine ausgezeichnete Mitarbeitererfahrung sorgen. Wir haben bereits in der Vergangenheit den Übergang zu ortsungebundenen Arbeitskonzepten befürwortet – eine Strategie, die das Mitarbeiterengagement erhöht, zu besseren Kundenergebnissen führt und die technologischen und kulturellen Ressourcen sowie Führungskompetenzen zur Unterstützung einer mobilen Arbeit schafft. Einige Führungskräfte der C-Ebene haben jedoch Vorbehalte gegenüber ortsungebundenen Arbeitsmodellen. Fest steht: Hybride Arbeit ist schwierig umzusetzen und zu verwalten.
In Anbetracht der variierenden spezifischen Arbeitsumfelder in den verschiedenen europäischen Ländern sollten europäische Unternehmen ihre eigenen, individuellen Arbeitskonzepte entwickeln. Die Ergebnisse der von Forrester in Europa durchgeführten Pandemieumfragen unterstreichen, dass das Konzept der ortsungebundenen Arbeit bei der Erstellung dieser individuellen Arbeitskonzepte eine zentrale Rolle spielen sollte. Die Transformation zur ortsungebundenen Arbeit erfordert Lösungen in den Bereichen Technologie, Prozesse und Unternehmenskultur sowie die Anpassung von Talentmanagement und Unternehmensführungsansätzen.
Es gibt nach wie vor große Unterschiede innerhalb der europäischen Länder
Finnland, Luxemburg und Irland sind europaweit führend bei der Transformation zu Arbeitskonzepten mit ortsungebundenen Ansätzen. Forrester stellt zudem erhebliche Unterschiede zwischen Unternehmen verschiedener Branchen und Arten von Belegschaften fest. So gestaltet sich diese Transformation tendenziell schwieriger bei Unternehmen, in denen ein Großteil der Belegschaft im Außendienst oder im direkten Kundenkontakt arbeitet, im Vergleich zu Unternehmen, deren Belegschaft hauptsächlich aus Büroangestellten besteht.
Ein ganzheitlicher Ansatz ist gefragt
Wie entschlossen Unternehmen beim Übergang zu einem ortsungebunden Arbeitsmodell sind, zeigt sich darin, wie ganzheitlich ihr Ansatz zur Transformation der Arbeit an sich ist. Hier einige interessante Beispiele aus Europa:
- Die Zurich Insurance in Großbritannien konzentriert sich in erster Linie auf die Einführung einer dauerhaften Strategie zur Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen. Den Mitarbeitern wird die Möglichkeit geboten, auf Voll- oder Teilzeitbasis von zu Hause aus zu arbeiten. Ziel ist es, die Lebensqualität der Mitarbeiter zu verbessern und im Gegenzug eine wesentlich zufriedenere und produktivere Belegschaft zu schaffen.
- Siemens geht noch einen Schritt weiter. Das Unternehmen führte mobiles Arbeiten an zwei bis drei Tagen pro Woche auf Dauer als weltweiten Standard ein. Das bedeutet, dass Siemens seine Richtlinien für ortsungebundene Arbeit an die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen, die Anforderungen der Arbeitsprofile und die individuellen Präferenzen der Mitarbeiter anpassen muss. An der Planung und Durchführung des ortsungebundenen Arbeitsmodells sind bei Siemens Vertreter aus den Bereichen Strategie, HR, IT, Siemens Real Estate und aus den verschiedenen Geschäftsbereichen beteiligt. Siemens ist sich darüber im Klaren, dass eine erfolgreiche Umsetzung dieser Strategie von der Veränderung seiner Führungs- und Unternehmenskultur abhängt. Siemens hofft, auf diese Weise sein Profil als flexibler und attraktiver Arbeitgeber zu verbessern.
- BioMérieux, ein französischer Anbieter auf dem Gebiet der Gesundheitsdiagnostik, geht sogar noch weiter. Das Unternehmen verfolgt einen multidimensionalen Ansatz zur Schaffung und Aufrechterhaltung eines neuen Arbeitsumfelds. Dazu gehört die Anpassung von Arbeitsbereichen wie Büros, Produktionsstätten und Forschungszentren, die Einführung von Technologien für den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit per Fernzugriff, die Schaffung und Förderung interner Mitarbeiter-Communities und die Umsetzung eines Programms, das Mitarbeitern hilft, Beruf und Privatleben miteinander zu vereinbaren. Der Ansatz von BioMérieux basiert auf einer engen Zusammenarbeit zwischen Management und Gewerkschaftsvertretern.
Ortsungebundene Arbeitsmodelle brauchen eine neue Gesetzgebung
Es gibt derzeit noch keinen EU-weiten Rechtsrahmen. Verschiedene Länder beginnen jedoch damit, Gesetze zur Regelung der Bedingungen für Remote-Arbeit zu erlassen.
- Portugal: Den Arbeitgebern ist es untersagt, ihre Mitarbeiter nach der Arbeitszeit zu kontaktieren. Sie müssen außerdem für die durch die Arbeit im Homeoffice entstehenden Kosten aufkommen.
- Deutschland: Die Arbeitgeber sind verpflichtet, ihren Mitarbeitern die Möglichkeit zu bieten, von zu Hause aus zu arbeiten, sofern keine zwingenden betrieblichen Gründe dagegen sprechen.
- Irland: Arbeitgeber müssen bei der Ablehnung von Anträgen auf Arbeit im Homeoffice überzeugende Gründe liefern.
- Spanien: Der Arbeitgeber muss alle Mittel, Geräte und Werkzeuge zur Verfügung stellen, die für die Erbringung der Arbeitsleistung erforderlich sind, kann aber die Tätigkeit des Arbeitnehmers überwachen, um zu überprüfen, ob er die Anforderungen erfüllt.
- Frankreich: Der Arbeitgeber muss einen guten Grund für die Ablehnung von Anträgen auf Arbeit im Homeoffice vorbringen.
Ein uneingeschränktes Modell der ortsungebundenen Arbeit wird nicht für jeden Arbeitnehmer möglich sein
So ist es zum Beispiel für Mitarbeiter im Außendienst oder im direkten Kundenkontakt nicht möglich, von zu Hause aus zu arbeiten. Zudem ist nicht jeder Arbeitnehmer gleichermaßen daran interessiert, vom Homeoffice aus zu arbeiten. Wir haben mit einem großen Lebensmittelunternehmen in Barcelona gesprochen, dessen Mitarbeiter der Rückkehr ins Büro äußerst positiv gegenüberstehen, da viele von ihnen in eher kleinen Wohnungen oder in Wohngemeinschaften leben. Ein mittelständischer Gerätehersteller für das Gesundheitswesen in Deutschland erklärte, dass neue Mitarbeiter so viel Zeit wie möglich in einem physischen Büro verbringen möchten, da sie dort mehr von älteren Kollegen lernen als bei der Arbeit von zu Hause.
Umfragen deuten jedoch eindeutig darauf hin, dass sich die Erwartungen der Arbeitnehmer in Richtung flexibler Arbeit verschieben und zunehmen, insbesondere bei jungen, talentierten und qualifizierten Arbeitnehmern. Ein Drittel der britischen Arbeitnehmer ist weniger geneigt, sich auf eine Stelle zu bewerben, wenn die Möglichkeit der Remote-Arbeit nicht gegeben ist. Die deutschen Arbeitnehmer wollen nur noch 3,4 Tage im Büro verbringen – vor der Pandemie waren es 4,5. Um die Anwesenheit der Mitarbeiter im Büro lohnenswert zu gestalten, müssen Unternehmen verstärkt direkte persönliche Zusammenarbeit, Gruppendenken, Teambuilding, soziale Interaktion und Präsenzschulungen ermöglichen.
Cloud-, Netzwerk- und Automatisierungstechnologien sind entscheidende Erfolgsfaktoren
Damit verbunden sind Bemühungen zur Verbesserung der Cybersicherheit für Remote-Arbeits- und E-Commerce-Umfelder. Der Trend geht dahin, die Cloud als eine im Vergleich zu internen Sicherheitssystemen sicherere Lösung zu betrachten. Zunehmende Remote-Arbeit und Mobilität bedeuten außerdem einen starken Nachfrageanstieg für private Breitbandanschlüssen und Datentarife mit einem unbegrenzten Datenvolumen. Zudem steigt die Nachfrage nach Remote-IT-Support zur Unterstützung von Mitarbeitern, die im Homeoffice oder ortsungebunden arbeiten. Forrester prognostiziert eine zunehmende Nutzung von Automatisierungslösungen für Self-Service-Portale, Bots und Tools zur Mitarbeiterüberwachung, um steuerliche und andere Compliance-Anforderungen zu erfüllen.
Erfahren Sie mehr in einem Gespräch mit meinen Kollegen Thomas Husson, VP & Principal Analyst, und James McQuivey, VP & Research Director. Sehen Sie sich die unten für Sie bereitgestellte Videoaufzeichnung unseres LinkedIn Live-Chats an und folgen Sie uns auf LinkedIn für die neuesten Updates.